Presse zu „Die Namenlosen von Amrum“

Amrum-CoverDIE NAMENLOSEN VON AMRUM – EIN INSELKRIMI ANNO 1964…

Die erste Frage beim Nachmittagskaffee in Nebel ging an mich und betraf die Suche nach einem schönen Frühstückscafé (geöffnet vor elf Uhr), mit ordentlichem Kaffee aus Espressobohnen. Schön zu hören, dass Buchautor Jürgen Rath es sich gut gehen lassen will auf dieser Insel. Er kommt seit Jahrzehnten, sein Revier war früher der Campingplatz, sein neues ist die Insel-Buchhandlung, wo er jetzt bei „Quedens“ las – aus seinem ersten Amrum-Krimi.

„Die Namenlosen von Amrum“ heißt das Buch. Eine Story rund um den Friedhof der Namenlosen, diese verwunschen-schöne, letzte Heimat der unbekannten, gestrandeten Seelen, die man in der Biegung des (Straßen-)Flusses begrub – der Nebeler Mühle gegenüber. 1986, als Rath gerade mal wieder einen dicken Packen Papier vom Schreibtisch in den Müll räumen wollte, wurde er an diesen Friedhof erinnert, begann, sich mit seiner Geschichte zu beschäftigen und recherchierte in Kiel, im Landesarchiv in Gottdorf, bei der Nordelbischen Kirche in Leck und beim Amrumer Standesamt.

Genau das tut der Protagonist in Raths Roman auch: Steffen Stephan, ein recht junger (Mitte 30) aber staubtrockener, ziemlich verklemmter Archivar aus Hamburg, muss sich für seinen Arbeitgeber dringend nach einem Publikationsthema umsehen, was Leser und Aufmerksamkeit verspricht. Sein Chef, der Leiter des Sozialhistorischen Instituts, macht dem Armen ordentlich Druck. Stephan, eigentlich nur zum Luft holen auf Amrum, stolpert dabei über den Friedhof und über allerlei Ungereimtes in Zusammenhang mit den Grabstellen. Die Insulaner sind natürlich gar nicht so amused über den Festländer, der akribisch nachzufragen beginnt in dem Glauben, mit dem Friedhof und seinem Geheimnis genau das Leserthema gefunden zu haben, was seinem Institut Aufmerksamkeit verschafft.

Nun ja, friesisch-herb also die Insulaner-Seite, verklemmt-weicheiig die andere, dazu eine sexuell etwas, sagen wir, unterforderte Amrumer Gemeindemitarbeiterin im spießigen Faltenrock (wir schreiben das Jahr 1964) und eine extrovertierte, rothaarige Berlinerin, die Stephan zur Seite gestellt wird. Eine herausfordernde Kombination – selbst für eine für ihre außerordentliche Aufgeschlossenheit bekannte, kleine friesische Insel …

Wie nah Rath mit seinem Stoff an der Realität liegen könnte, überlegt man sich beim Lesen eines aktuellen Facebook-Posts in der „Amrum;-)!!“-Gruppe, in der eine Lady Licht ins Dunkel um einige Grabsteine auf dem Namenlosen-Friedhof zu bringen versucht. Noch auf den Fotos ihres Opas von 1968 waren nämlich Sterbedaten zu erkennen, die mittlerweile so nicht mehr auftauchen. Wer, so frage ich mich – so fragt sich auch Steffen Stephan in Raths Buch, hätte ein Interesse, zig Jahre nach Grablegung an diesen Daten etwas zu ändern? Ein bisschen spoky ist diese plötzliche Nähe von Fiktion und Wirklichkeit.

Wenn man bei Vollmond spazieren geht und auf der Bank hinter der fahlen Friedhofspforte pausiert, geht manchmal die Tür auf. Aber niemand kommt herein. Wenn man die Tür wieder zumacht, geht sie nach einiger Zeit wieder auf. Und man ist geneigt zu glauben, dass die kleine, arme Seele, die ungesehen hineinschlüpft, nun wieder leise hinausgeschlüpft ist. Mögen ihre Namen auch im Himmel geschrieben sein, so ist es vielleicht doch gut, sie sich manchmal von Nahem anzuschauen. Nachts … bei Vollmond.
(Undine Bischoff am 26.6.2015 in amrum-news.de)

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